„Das kleine Mädchen“
Einer meiner Ausbilder sagte mir einst: “Was sollen Kinder mit einem teuren Turnierkracher, den sie kaum handhaben können. Ein Pony sollte ihnen hinters Haus gestellt werden, mit dem sie sich ausprobieren können, den Umgang und das Reiten erfahren. Spaß müssen sie haben. Spaß, bis sie 12, 13 oder 14 Jahre alt sind. Wenn sie dann noch Interesse und Freude an Pferden und am Reiten haben, kann immer noch Sitzkorrektur vorgenommen und professionelles Reiten angegangen werden.
Ja, ja so war es auch bei mir. In meinen damals vierjährigen Augen musste unbedingt ein Pony her, aber erst als Siebenjährige konnte ich meine Eltern davon überzeugen und sollte nun endlich eins bekommen. Und mit diesem fing alles so an, wie es besagter Ausbilder sicherlich gerne gesehen hätte.
Als „Stadtpalmen“ hatten meine Eltern von Pferden soviel Ahnung wie ich mit sieben Jahren vom Autofahren. Und auch ich wusste vom Reiten nur soviel, als dass es da irgendwo ein „Gaspedal“ und eine „Bremse“ gab, die es vom Ponyrücken aus irgendwie zu bedienen galt. Um das „Wo“ und „Wie“ herauszubekommen, musste aber als erstes einmal der passende Untersatz für eine siebenjährige Reitanfängerin gefunden werden. Eine Freundin und passionierte Reiterin meiner Mutter sollte uns bei der Suche helfen. Während wir suchten, kümmerte sich mein Vater um die zukünftige Bleibe unseres baldigen neuen tierischen Familienmitgliedes. Nach einer Weile des intensiven Suchens hatte er ein Stückchen Grün bei einem Bauern aufgetan und ich mein Traumpony gefunden. Doch ein alter Händlertrick ließ den Ponytraum schnell wieder zerplatzen. Die Suche diesbezüglich ging also wieder von vorne los.
Aber eines Tages, nach X- 1000 ausprobierten Ponys kam Flicka, übersetzt „Das kleine Mädchen“, um die Ecke getrabt und sollte nach traditionellem Händedruck mein Pony werden. Brav war sie, so alt wie ich, schwarzschimmelig, und mit ihrem Stockmaß von 129cm, von mir leicht zu erklimmen. Mit meinem über zwei Jahre hinweg gespartem Taschengeld von höchstens einer Mark wöchentlich und einer Finanzspritze von Opa, der noch nicht einmal wusste wie das Wort „Pony“ überhaupt geschrieben wurde, war der Pferdehandel bald abgewickelt. Flicka sollte uns in wenigen Tagen gebracht werden.
Am lang herbeigesehnten Tag kam ein dampfender Pferdehänger rumpelnd und schaukelnd um die Ecke gefahren, steuerte direkt auf uns, die wir da standen zu, nämlich Opa, Papa, Mama, Schwester, Bruder und ich. Als er vor uns zum stehen kam ertönte ein schrilles Wiehern und heftiges Hufescharren aus dem Gefährt. Der Pferdehändler stieg aus seinem Fahrzeug und während er uns fast die Hände brach, sagte er:“ Moin. Hier bringe ich Euch die Kleine.“ Diese randalierte derweilen in dem Hänger. „Sie ist ein bisschen aufgeregt“, meinte der Händler und lief, während er so etwas wie „kennt das nicht“, „war noch nicht alleine“ von sich gab, um den Hänger herum zur Klappe. Diese wurde von ihm alsbald geöffnet und eröffnete uns ein Bild des Grauens. Ein dampfendes, Kopf schlagendes kleines Ross stand schweißgebadet mit angelegten Ohren und rollenden Augen im Hänger. War das mein braves „Kleines Mädchen“?
Kaum hatte der Händler den Strick vorne gelöst und die Stange hinten entfernt, machte das aufgebrachte Pony einen Satz nach hinten, schleifte den Händler am Strick hinter sich her die Laderampe herunter und sprang anschließend bockend um ihn herum.
Mein Opa stand mit offenem Munde da und verstand die Welt nicht mehr. Meine Mutter war entsetzt und konnte sich nicht vorstellen, dass ich dieses Pony jemals reiten würde. Mein Vater blieb cool. Und meine beiden kleinen Geschwister mit ihren gerade mal drei Jahren beziehungsweise paar Monaten wussten eh nicht was da vor sich ging.
Flicka, bockend und wild um sich schlagend, wurde vom Händler zur Weide geführt und dort entlassen. Mit aufgeblähten Nüstern und aufgestelltem Schweif düste sie über ihr neues zu Hause. Ich war begeistert. Soviel Kraft und Anmut hatte ich noch nicht gesehen. Opa, Papa und Mama schüttelten nur die Köpfe. Der Händler verabschiedete sich mit den Worten: “Gebt ihr zwei Tage, dann könnt ihr sie holen.“ Und dann gab er uns noch den Rat: “Und niemals nachgeben, sonst hat sie gewonnen.“
Wie Recht er damit haben sollte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zwei Tage ließen wir Flicka, das kleine Mädchen“ gewähren und sich mit ihrer neuen Umgebung vertraut machen. Dann war es soweit. Flicka sollte nun ihren Platz in der neuen Herde, sprich zwischen uns als Familie finden.
Doof sind Welshponys ja nun nicht. Flicka gehörte, wie sich schnell herausstellen sollte, zu den besonders cleveren Vertretern ihrer Rasse. So wurde das erste Einfangen meiner kleinen Ponystute zu einer recht ausdauernden und nervenaufreibenden Geschichte.
Mit den Rädern strampelten mein Vater und ich am besagten Tag mit Halfter und Strick bewaffnet die drei Kilometer zur Weide, auf der Flicka entspannt und friedlich grasend stand und uns Herannahenden keines Blickes würdigte. Weder mein Vater noch ich hatten die geringste Ahnung, wie so ein Pony einzufangen war. Wir wussten nur, dass das Halfter irgendwie an den Ponykopf musste.
An der Weide angekommen inspizierte ich das gute Stück aus Nylon und konnte mir so erst einmal theoretisch ein Bild davon machen, wie ein Halfter wohl an Flickas Kopf angebracht werden musste. Inzwischen beäugte uns auch „das kleine Mädchen“ etwas argwöhnisch, der Dinge abwartend, die da kommen mögen. Eins dieser Dinge war schließlich ich.
Zögernd näherte ich mich mit ausgestreckter Hand, in der eine Möhre lag dem grasenden Pony. Als ich einige Schritte vor ihm war hob dieses interessiert den Kopf. Je näher ich kam desto länger wurden Flickas Hals und Lippen, die sie gierig der Leckerei in meiner Hand entgegen streckte. Einen Schritt noch und die Karotte war in erreichbarer Nähe. Mit spitzen Lippen versuchte Flicka nun den Leckerbissen an sich zu reißen. Ich ließ dies aber nicht zu und ging einen weiteren Schritt auf sie zu, um ihr das Halfter über den Kopf zu ziehen. Doch Flicka sprang mit einem heftigen Satz zurück, machte auf dem Absatz kehrt und buckelte davon.
Wie war das noch? „Niemals aufgeben“, so ähnlich waren doch die Worte des Pferdehändlers. Also versuchte ich das ganze gleich noch einmal. Aber auch der zweite Versuch endete mit einem davon springenden Pony. Wieder und wieder näherte ich mich „dem kleinen Mädchen“ mit dem gleichen Misserfolgen. Flicka hingegen hatte den Dreh raus, wie sie an die Möhre kam, ohne gleich im Halfter zu stecken. Sie musste mich nur noch ein kleines bisschen näher an sich heran kommen lassen. In dem Moment, in dem sie das saftige Orange in den Zähnen hatte und ich die andere Hand hob, in der Halfter und Strick baumelten, stob sie mit der Beute im Maul davon. Mir war zum heulen zumute.
Etliche Möhren später riss meinem Vater, der das alles aus sicherer Entfernung hinter dem Weidezaun stehend, verfolgte, langsam der Geduldsfaden. Er stieg nun selbst in den Ring und schickte mich hinter die Absperrung. Aber auch meinen Vater ließ Flicka nicht näher als einen ausgestreckten Arm an sich heran. Dieser entwickelte nun sportlichen Ergeiz und neue Strategien. Eine Variante war eine mit dem Strick gelegte am Boden ausgebreitete Schlinge in der die Karotte lag. Wie das funktionieren sollte, war mir allerdings schleierhaft. Dann probierte er es mit einer Art Lassowurf, indem er Flicka das Halfter, was am Strick hing über den Hals warf. Alles war vergebens, und Flicka schien sich daraus ebenfalls einen Sport zu machen.
Einige Stunden waren nun schon vergangen. Der sportliche Ergeiz meines Vaters wurde zur steigernden Ungeduld und in diese mischte sich so langsam die Wut. Und immer war da im Hinterkopf der Satz: „Bloß nicht aufgeben.“ Mein Vater kochte bereits innerlich. Ihm reichte es jetzt. Mit Halfter und Strick über der Schulter marschierte er ohne Möhre entschlossenen Schrittes auf Flicka zu. Diese guckte ihn etwas verdutzt an und wusste die neue Situation nicht so wirklich einzuschätzen. Doch als mein Vater bereits zwei Meter vor ihr stand, wurde ihr klar, dass es der Mensch da ernst meinte. Sie wollte sich gerade wieder umdrehen und davon rennen als mein Vater ihren Schweif zu packen bekam, beide Versen in den Boden rammte und Flicka dadurch so dermaßen ins Straucheln brachte, das sie erschrocken stehen blieb und sich nach ihm umwandte. Immer noch den Schweif in der Hand ging er auf den Ponykopf zu und legte „dem kleinen Mädchen“ das Halfter an.
Von diesem Tag an ließ sich Flicka von meinem Vater stets mühelos einfangen. Wir Kinder wurden von ihr die nächsten elf Jahre jedoch immer wieder dabei auf die Probe gestellt.
So langsam näherten Flicka und ich uns an. Selbst das Einfangen meiner Ponystute funktionierte mittlerweile fast reibungslos, wartete sie doch bereits ungeduldig am Weidezaun, wenn sie mich auf meinem Fahrrad kommen sah. Schließlich brachte ich immer etwas Abwechslung in ihren Ponyalltag. Manchmal wieherte sie mir sogar entgegen.
Auch an diesem Tag stand Flicka am Zaun und blickte mir mit ihren großen braunen Augen erwartungsvoll entgegen als ich von meinem Stahlross stieg. Was es wohl heute spannendes gab? Galopp! Heute wollte ich galoppieren. Schritt und Trab klappten schon ganz gut, ohne Sattel wohlgemerkt. Jetzt wollte ich auch wissen, wie sich der Galopp auf meinem kleinen Mädchen anfühlte. Soviel wusste ich zum Angaloppieren, als dass man sich nach vorne beugte, die Zügelfäuste etwas vor gab und beide Fersen dem Pony in den Bauch rammen musste. Voller Tatendrang putzte ich mein Pony und trenste es auf. Nachdem ich Flicka von der Weide geführt hatte,schwang ich mich auf ihren blanken Rücken und ritt den angrenzenden Schotterweg hoch. Nach einigen hundert Metern drehte ich mein kleines Mädchen um, beugte mich vor und stieß ihr meine Versen in die Seiten. Das Pony quiekte auf, machte einen mächtigen Satz nach vorne, raste voller Entsetzen los wobei sie nach hinten ausschlug und mich im hohen Bogen über ihre linke Schulter vom Rücken katapultierte. Ich schlug auf dem Boden auf, schrammte mit dem Gesicht über den Schotter, wurde gleichzeitig von meinem Pony übersprungen, das dann mit einem Vorderhuf auf meinem rechten Unterarm landete und davon stürmte. Das war wohl zu viel Verse. Mit blutüberströmten Gesicht und tauben Arm rappelte ich mich auf. Wie war das noch? Gleich wieder drauf? Na gut. Erst einmal musste ich aber mein kleines Mädchen wieder einfangen, das da in einiger Entfernung friedlich graste. Dummerweise war sie ja nun nicht mehr auf der Weide und auch nicht mehr für neue Späße aufgelegt. So erwies sich das Einfangen wieder einmal als äußerst müßig.
Nach etlichen Versuchen und einige Stunden später hatte ich Flicka dann aber, saß erneut auf, ritt abermals den Schotterweg hoch, drehte wieder nach einigen hundert Metern um, beugte mich abermals nach vorne, gab die Zügelfäuste vor und drückte meinem kleinen Mädchen vorsichtig die Versen in ihren Bauch. Diesmal sprang Flicka in einen ruhigen Galopp. Ein herrliches Gefühl.
Nachdem ich Flicka auf ihre Weide entlassen hatte, radelte ich Blut verschmiert wie ich war und über und über mit Prellungen und blauen Flecken versehen nach Hause. Entgeistert starrte meine Mutter mich an, als sie mir die Tür öffnete und schrie hysterisch: „Um Himmels Willen, was ist denn mit Dir passiert! Stolz antwortete ich: „Ich bin galoppiert.“
Der Winter stand vor der Tür. Damit es meinem Pony auch nicht zu kalt und nass würde, baute mein Vater ihm eine kleine dreiseitige Hütte auf die Weide, die es vor Eis und Schnee schützen sollte. Erstaunlicher Weise schien sich Flicka aber gerne draußen im Nassen aufzuhalten. Ihren Hintern gen Wind- ja sogar Sturmrichtung gedreht, hielt sie dem Regen und Schnee stand.
Der Winter war bereits im vollen Gange als ich meine täglichen drei Kilometer Richtung Pferdeweide durch die tief verschneite Landschaft radelte. Es war bitter kalt, so dass binnen kürzester Zeit meine Nase rot und meine Finger und Füße taub gefroren waren. Diesmal wartete Flicka nicht wie gewohnt am Zaun, als ich ankam. Überhaupt, war von meinem kleinen Mädchen weit und breit weder etwas zu sehen noch zu hören. Besorgt stieg ich von meinem Fahrrad und rief ihren Namen. Nichts. Wo mochte sie nur sein? Ich kletterte über den Zaun und stapfte mühsam durch den Schnee in Richtung Weidehütte. Und da stand sie, in der hintersten Ecke. Aber was war dass?! Eiszapfen! Überall an Flickas langem zottigem Fell und ja sogar an ihrem „Ziegenbart“ hingen kleine Eiszapfen herunter. Ich war fest davon überzeugt, dass mein Pony jeden Augenblick erfrieren würde. Ich musste sie retten. Kurzer Hand streifte ich meinem kleinen Mädchen das Halfter über und schlug mich mit ihr durch den Schnee zurück nach Hause. Es war mühsam und dauerte eine halbe Ewigkeit bis wir endlich fast erfroren vor unserer Haustür standen. Ich klingelte. Meine Mutter öffnete, um uns dann verdattert und verständnislos anzustarren. „Flicka erfriert“, erwiderte ich ihrem fragenden Blick, „sie hat überall Eiszapfen im Fell“, setzte ich erklärend hinzu. „Na dann kommt mal `rein“, meinte meine Mutter nach kurzem Zögern ratlos. Erleichtert führte ich mein Pony in den Vorflur. Sogleich fingen die Eiszapfen in Flickas Fell an, zu tauen. Eine riesige Pfütze entstand unter ihrem Bauch. Zum Glück war der Flur gefliest. Während Flicka im Flur stand und so vor sich hin tropfte, überlegten meine Mutter und ich bei einer Tasse heißen Tee, was nun zu tun sei. Die Gartenhütte schien uns als geeignete Unterkunft für das Pony. Sie war rundum geschlossen. Wir beschlossen Flicka solange im Vorflur stehen zu lassen bis mein Vater von der Arbeit zurück kam, der dann helfen sollte, die schweren Gartengeräte aus dem Schuppen zu räumen. Ich wollte schon mal mit den kleinen Geräten anfangen und begab mich wieder hinaus in die Kälte. Derweilen bereitete meine Mutter meinen Vater telefonisch auf das im Flur stehende Pony vor. Der fiel aus allen Wolken und riet, eine gute Bekannte, die auch Pferde besaß, um Rat zu fragen. Nur leider war diese bis zum Eintreffen meines Vaters nicht zu erreichen.
Flicka hatte es sich währenddessen so gut es ging im Flur auf den rutschigen Fliesen bequem gemacht und die Wasserpfütze durch einige Pferdeäpfel ergänzt.
Obwohl er auf alles vorbereitet war, traf meinen Vater dann doch der Schlag, als er die Haustür öffnete und auf einen Ponyhintern traf. Flicka hingegen erlitt einen halben Herzinfarkt als hinter ihr plötzlich mein Vater durch die Tür trat. Sie wollte vorpreschen, rutschte aber auf den glatten, nassen Fliesen aus und versuchte verzweifelt Halt zu finden. Dabei flogen ihre vier Beine immer wieder in alle erdenklichen Richtungen. Geistesgegenwärtig schob mein Vater ihr die Gummifußmatte zu. So fand das kleine Mädchen wieder halt, kam auf die Füße und stand zitternd da. „So geht das nicht“, folgerte mein Vater, „sie muss wieder raus.“ „Aber doch nicht in diese Kälte“, erwiderte meine Mutter. „Hier kann sie jedenfalls nicht bleiben“, beschloss mein Vater.“ „Gut, dann hole ich eine alte Decke“, sagte meine Mutter und verschwand, um kurz darauf mit einer bunten Wolldecke wieder zu kommen. Eingepackt wie sie nun war, sollte Flicka wieder zurück in die Kälte geschickt werden. Doch das erwies sich schwieriger als gedacht, war der Flur doch zu eng, um das Pony darin umzudrehen. Meinen Eltern blieb nicht anderes übrig, als Flicka durch die zweite Flurtür ins Haus zu führen, um sie dort im großen Eingangsbereich umzudrehen.
Sobald das kleine Mädchen den weichen Teppichboden unter ihren Füßen spürte, stellte sie ihre Hinterbeine auseinander, grunzte behaglich, um gleich darauf eine weitaus größere Pfütze, als die im Flur zu hinterlassen. Pipi auf den Fliesen im Vorflur zu machen, hätte doch viel zu sehr gespritzt. Meiner Mutter platze allmählich der Kragen und meinem Vater blieb nichts anderes übrig als beschwichtigend zu grinsen. Umgedreht war das Pony ja nun und konnte hinaus in den Garten zur Gartenhütte geführt werden. Dort band mein Vater sie erstmal an der Schaukel an, um mit dem schweren Gerät zu helfen.
Als die Hütte endlich leer geräumt und mit Heu und Stroh der Hauskaninchen ausgelegt war, ging es nun darum, mein kleines Mädchen davon zu überzeugen da hinein zu gehen. Auch das war kein leichtes Unterfangen, musste Flicka doch dazu gebracht werden in ein dunkles Loch zu springen, da die Hütte hoch aufgebockt war und keine Fenster hatte. Flicka wollte pars tout nicht ins Schwarze hüpfen und rammte alle Viere in den Boden. Mein Vater und ich schwitzten Blut und Wasser und das Pony rollte mit den Augen. Eine Lösung musste her. Die bestand nach einigem Hin und Her darin, eine Rampe vor die Hüttentür zu bauen. Flicka wurde also wieder an der Schaukel geparkt, und wir legten los. Mittlerweile dämmerte es und als die notdürftige Einstiegshilfe gebaut war, war es bereits dunkel. Als ich mein kleines Mädchen nun an die Rampe führte, und sie aufforderte mir in die Hütte zu folgen, zögerte sie keine Sekunde. Komisch. Schnell schloss ich die Tür und hängte den Riegel, besser gesagt das Riegelchen, davor. Es bestand nämlich lediglich aus einem kleinen Haken, der oft zum verriegeln von Hasenkäfigen benutzt wird. Ob das hält?
Ich war schon im Bett als meine Mutter endlich diese pferdebegeisterte Bekannte erreichte. Diese konnte sich vor Lachen kaum noch halten, als sie vom kleinen Mädchen im Flur erfuhr, was nun in der Gartenhütte steckte. „Bringt sie zurück auf die Weide“, kicherte sie“, die erfriert nicht so schnell.“ „Aber wie denn?“, erwiderte meine Mutter, “es ist spät und meine Tochter schläft.“ „Na dann bringt sie morgen wieder zurück“, meinte die Bekannte. Meine Mutter fand in dieser Nacht jedenfalls keinen Schlaf und hatte Albträume von Flicka, die neben ihrem Bett steht. Doch stand das kleine Mädchen am nächsten Morgen immer noch friedlich in der Hütte und blinzelte mir erwartungsvoll entgegen als mit mir das Tageslicht durch die Hüttentür trat.